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Abendma(h)l – ganz anders

Eine Street Action in Berlin zu Leonardo da Vincis berühmtem Gemälde

 

Das Erzbistum Berlin hat 2015 am Gründonnerstag das berühmte Gemälde „Das Abendmahl“ von Leonardo da Vinci nach Berlin geholt. Allerdings wurde es nicht ausgestellt, sondern dargestellt. Nicht im Museum, sondern auf öffentlichen Plätzen.

Die Idee hatten wir dabei offen gestanden aus Aachen und Hamburg abgeguckt, wo dieses Projekt bereits in den vergangenen Jahren lief: 13 Akteure stellen an verschiedenen öffentlichen Orten einen schlichten Tisch auf und deuten eine Mahlgemeinschaft an. Auf ein Signal hin erstarrt die Situation: Die Darsteller verharren in ihrer Pose und die zufällig vorbeischlendernden Passanten erkennen Leonardo da Vincis Gemälde wieder. Helfer verteilen Postkarten an die Passanten, auf denen die Idee dieses Projektes kurz dargestellt wird.

Doch auf dem Weg von der Idee bis in den Abendmahlssaal mussten wir so manche „Klinke putzen“:

  • Das Abendmahl am Brandenburger Tor (Foto: Walter Wetzler)

Vorbereitende Schritte

Erste „Tür-Klinke“

Gar nicht so leicht, Genehmigungen für die Plätze zu bekommen, auf denen wir das Abendmahl darstellen wollten. Dazu mussten genaue Lagepläne erstellt und zusammen mit einem kurzen Exposé an die jeweilige Behörde geschickt werden. Und da die Mühlen deutscher Bürokratie zuweilen langsam mahlen, dauerte es knapp drei Monate und etliche telefonische Nachfragen, bis wir endlich die Zusagen bekamen. Angedacht hatten wir für diese Aktion den Pariser Platz (vor dem Brandenburger Tor), den Gendarmenmarkt und den Lustgarten. Außerdem noch das Rathaus Neukölln, denn das Projekt hatten wir zu dritt verantwortet und die beiden Kolleginnen haben ihre Dienststellen in diesem Stadtteil. Zudem wollten wir Erfahrungen sammeln, wie das Projekt wahrgenommen wird, wenn es nicht auf touristisch sehr exponierten Plätzen, sondern „im Kiez“ stattfindet. So war Neukölln nicht nur Vormittags unsere erste Station, sondern abends auch unsere letzte, denn wir hatten mit dem Pfarrer der dortigen Gemeinde abgesprochen, das Straßentheater unmittelbar vor Beginn des Abendmahls-Gottesdienstes in der Kirche darzustellen.

Zweite „Tür-Klinke“

Leute finden, die „Jünger werden“ wollen. Damit war keine Anti-Aging-Kampagne gemeint, sondern die Suche nach Mitwirkenden. Zwar stieß das Projekt von Anfang an auf großes Interesse, was aber nichts daran änderte, dass sich die Stühle an der Abendmahlstafel nur schleppend füllten, denn der Gründonnerstag lag mitten in den Ferien. Viele waren schon im Osterurlaub, andere mussten an diesem Tag ganz normal arbeiten. Über alle möglichen Verteiler sowie Mund-zu-Mund-Propaganda hatten wir unsere Suche gestreut und schließlich dann doch genug Akteure und einige Helfer gefunden.

Dabei spiegelte unsere Jüngerschaft den ursprünglichen Freundeskreis Jesu in seiner Unterschiedlichkeit nahezu perfekt wider: Unsere Jünger kamen aus den verschiedensten Berliner Stadtteilen, aus den unterschiedlichsten Berufen, es trafen mehrere Nationalitäten aufeinander, der jüngste Darsteller war 14 Jahre alt, der Älteste über 70, und die Beweggründe zur Teilnahme waren ebenso bunt: „Ich find’s toll, dass Kirche mal rausgeht!“ – „Ich bin gespannt, wie es gelingen kann, einen religiösen Inhalt durch das Medium der Kunst zu vermitteln.“ – „Ich hab durch meine Kollegin von dem Projekt gehört und fand das so durchgeknallt, dass ich dabei sein wollte.“ – „Ich hatte in den letzten Jahren mehrere schwere Operationen. Jetzt geht es mir wieder besser. Das ist meine Art, dem lieben Gott DANKE zu sagen.“

Dritte „Tür-Klinke“

Kompetenz anheuern. Da meine Kolleginnen und ich uns nicht ausreichend fit in theaterpädagogischen Belangen fühlten, haben wir eine Theaterpädagogin angefragt, was sich sehr bewährt hat. So ging es in unseren vier jeweils zweistündigen Proben nicht nur darum, interessante Hintergrundinformationen zum Da-Vinci-Bild zu vermitteln, einen Überblick über die Jüngerschar und ihre Eigenheiten zu geben und die Situation im Abendmahlssaal zu betrachten, sondern ebenso um die Grundlagen des Darstellenden Spiels, um Improvisation, Gestik und Mimik, Ausdruck und Körperarbeit … Die Rollenverteilung erfolgte per Losverfahren: „Puh, Glück gehabt. Ich hatte schon Sorge, ich müsste den Judas spielen.“ – „Super! Ich bin Thomas, der Zweifler. Die Rolle passt eigentlich ganz gut zu mir.“  „Ehrlich gesagt weiß ich gar nichts über ‚meinen‘ Jünger“, … tönte es dann auch kreuz und quer durch den Saal.

Bei der „Kostümfrage“ waren wir uns schnell einig: keine rein historisierende Darstellung, sondern ein Verheutigen des damaligen Geschehens; deshalb trugen die Darsteller normale Alltagskleidung, die aber farblich an das Gewand des von ihnen dargestellte Jüngers angepasst war, um eine größere Ähnlichkeit mit dem Original herzustellen.

No risk, no fun

Was wir viel zu spät „auf dem Schirm“ hatten: das Wetter. Irgendwie waren wir immer davon ausgegangen, dass das Wetter gut sein würde. Zumindest „normal“ frühlingshaft. Schließlich war am Palmsonntag der Wechsel von der Winter- zur Sommerzeit erfolgt. Umso sorgenvoller saßen wir in der Generalprobe beieinander, denn zu Beginn der Karwoche fegte Orkan „Niklas“ über Deutschland hinweg und hinterließ ja auch vielerorts erhebliche Schäden. Ob’s an unseren inflationär gen Himmel geschickten Stoßgebeten lag oder wir einfach mehr Glück als Verstand hatten: Am Gründonnerstag war das Wetter zwar weit entfernt davon, „gut“ zu sein, aber doch auch erheblich besser als in den Vortagen. Lausekalt zwar, aber zumindest bis zum Nachmittag trocken und teilweise sogar sonnig. Und die nachmittäglichen kurzen Regen- und Hagelschauer waren so getimt, dass sie jeweils pünktlich zum Beginn unserer Street Action aufhörten, so dass wir unser Programm wie geplant durchführen konnten. 

  • Aufmarsch der Jünger auf den Gendarmenmarkt (Foto: René Pachmann)

  • Zuschauer auf dem Gendarmenmarkt (Foto: Carla Böhnstedt)

  • Zuschauer auf dem Gendarmenmarkt (Foto: Carla Böhnstedt)

  • Postkarte, die während der Aktion verteilt wurde (Foto: Carla Böhnstedt)

Unsere Beobachtungen:

Es war jedes Mal faszinierend zu beobachten: Bereits der „Aufmarsch“ des mit Tischen beladenen Helfertrupps auf den jeweiligen Plätzen erzeugte Neugier und binnen kürzester Zeit blieben Passanten stehen und zückten ihre Kameras, während die Helfer die Tische aufstellten und eindeckten. Noch imposanter dann das Kommen der Jünger – alle der Reihe nach mit ihrem Klappstuhl in der Hand. Und mit der erklärenden Postkarte, die die Helfer verteilten, war’s dann ganz offensichtlich: Das Abendmahl – sonst nur in einem Kloster in Mailand zu bewundern – war mitten in Berlin zu besichtigen. Ganz ohne Eintrittsgeld und Warteschlange. Vielmehr plötzlich und unerwartet. Mitten in der Stadt. Mitten im Alltag der Passanten und Flanieren der Touristen.

Reaktionen der Passanten:

„Das ist doch Leonardo da Vinci!“, „Guckt mal, die machen das Abendmahl!“, „Ach, stimmt ja, heute ist doch Gründonnerstag!“, „Wie jetzt – und die Kirchen feiern heute das, was auf dem Bild zu sehen ist, oder wie?!“ – so und ähnlich waren die Reaktionen der Passanten an den verschiedenen Plätzen. Auf dem Gendarmenmarkt grübelten ein Vater und sein Sohn darüber, wer noch gleich der Mann mit dem Geldsäckchen sei, der sich da von der Tafel abgewandt hatte. Der Vater: „Guck mal, jetzt steht Jesus wütend auf und lässt seine Jünger alleine zurück.“ Der Sohn: „Aber in der Schule hatte Frau XY gesagt, dass der anders hieß. Aber ich weiß den Namen nicht mehr. Jesus sitzt da doch noch!“

Und zwischen zwei Radfahrerinnen, die am Brandenburger Tor von ihrem Rad steigen; entspinnt sich folgender Dialog:

Die eine: „Wat soll’n das werden?“ Die andere: „Du, sowat jibt et immer wieda in Bärlin, wa. Dit is bestimmt ne Aktivistengruppe. Die machen dann so Sachen wie ‚Essen für den Frieden‘ und sowat, weeßte?!“ Die eine: „Nee, kieck ma. Dat ist doch das Bild von Leonardo da Vinci, wat die darstellen!“

Und natürlich gab es auch negative Reaktionen: „Wieso meint denn die Kirche, einen grünen Donnerstag machen zu müssen? Die Muslime machen doch auch keinen blauen Freitag.“ Ein Biker am Brandenburger Tor nutzte die Gelegenheit, uns einen Zettel über atheistischen Kommunismus und die Machtinstrumente des Christentums in die Hand zu drücken. Und der wachhabende Polizist auf dem Pariser Platz gab unumwunden zu: „Von’ner Kirche halte ich ja eigentlich jar nüscht. Aber dat, wat Se da jerade jemacht ham, war ma’ janz interessant. Dit hatten wa so ooch noch nich’.“

Jünger werden – Straßentheaterprojekt zum Letzten Abendmahl

Missionarischer Gedanke

Ziel des Projektes war es neugierig zu machen! Eine Brücke zu schlagen vom Geschehen damals im Abendmahlssaal ins Heute hinein. Die Bedeutung eines kirchlichen Feiertages durch den Zugang über ein weltberühmtes Kunstwerk und die Darstellungsform des Straßentheaters auf öffentlichen Plätzen ganz neu und ungewohnt ins Bewusstsein zu rücken – quasi mit einem Augenzwinkern und Aha-Effekt.

Wichtig dabei: Die Passanten konnten Nähe und Distanz selbst bestimmen: Schlendere ich einfach weiter oder lasse ich mich darauf ein? Was hat die Darstellung vom Geschehen im Abendmahlssaal uns heute noch zu sagen? Was hat das Ganze mit mir zu tun? Wo wäre mein Platz an der Tafel?

Ansprechpartner/in

Carla Böhnstedt
Projektreferentin für Suchendenpastoral im Erzbistum Berlin
Greifswalder Str. 17
10405 Berlin
Tel.: (030) 31 98 67-18
E-Mail

Links & Literatur

Weblinks

Website der Suchendenpastoral im Erzbistum Berlin

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