„Kirche im Vauban“ ist ein christliches Angebot im ökumenischen Geist für Menschen, die im Freiburger Stadtteil Vauban leben. Sie wird von den Menschen vor Ort getragen und gestaltet. Hauptamtliche Kräfte der beiden Kirchen fördern und begleiten das kirchliche Leben vor Ort.
Den Freiburger „Vorzeigestadtteil“ Vauban besuchen täglich viele Menschen aus aller Welt. Den Besuchsgruppen wird Vauban als ein Ort präsentiert, der beispielhaft eine geglückte Form von zukünftigem, städtischem Lebensraum darstellt - ein sozial-ökologisches Modell. Ein Kirchengebäude existiert auf diesem Gelände mit 41 ha und über 5.500 Bewohnenden allerdings nicht. Zum christlichen Glauben bekennt sich statistisch gesehen knapp weniger als die Hälfte der Bevölkerung. Die Mehrheit hat keine religiöse oder konfessionelle Bindung – zumindest offiziell.
Als 1992 das ehemalige militärische Gelände, auf dem Vauban als Stadtteil entstehen sollte, einer zivilen Nutzung zugeführt wurde, hatte niemand die öffentliche und weltweite Anerkennung im Blick. Die Beteiligung der Kirchen an diesem Prozess sieht in der Rückschau eher zögerlich aus, obwohl es 1996 ein Wunsch der zukünftigen Bewohnenden war, ein „ökumenisches Zentrum“ in der Stadtteilmitte zu verankern. Diesem Anliegen aber begegneten die beiden Kirchen aber mit einem klaren „Nein“. Auch wurden bei der kirchenrechtlichen Zuteilung des Stadtteils die evangelischen Gläubigen einem anderen Gebiet als die katholischen zugeteilt. Damit gab es keine gemeindlichen Verbindungen zwischen den Konfessionen und keine ökumenischen Vorerfahrungen.
Die "Kirche im Vauban" setzt sich zusammen aus dem evangelischen Predigtbezirk Vauban (seit 1.1.2016) in der Pfarrgemeinde Südwest (ehem. Teil des Predigtbezirk Johannes) und dem Pfarrbezirk Vauban der katholischen Pfarrei St. Peter und Paul in der Seelsorgeeinheit St. Georgen – Hexental. Diese Verknüpfung hat seine Gründe in zwei Strömungen, die im Laufe der Jahre zusammenkamen und sich bemühten, christliches Leben im Stadtteil sichtbar zu machen. Vor Ort bildete sich zum einen ein Kreis engagierter Frauen als „AK Kirchenträume“ im Rahmen des begleiteten sozialen Aufbaus. Zum anderen versuchten die Gemeinden, über hauptamtliches Personal einen „Fuß in die Tür“ zu bekommen. Des Weiteren mieteten sie unterschiedliche Räume an, um Versammlungsorte zu erhalten. Diese sind ein unterteilter Geschäftsraum (genannt OASE) an der „Hauptverkehrsachse“ gegenüber dem Marktplatz sowie zwei kleinere Gruppenräume im Stadtteilzentrum, das die soziale Quartiersarbeit und diverse Initiativen beherbergt. Die Hauptamtlichen vor Ort arbeiteten von Anfang an ökumenisch und mit den Ehrenamtlichen zusammen. Konfession oder Kirchenzugehörigkeit spielte dabei keine Rolle, das aktive Sich-Einbringen zählte. Mittlerweile wurde auch ein ökumenisches Gemeindeteam eingerichtet, das die Zustimmung von katholischer und evangelischer Seite erhalten hat. Im Jahr 2002 entstand der „Ökumenische Kirchenladen“ in der OASE als ein niedrigschwelliges Angebot, um mit Kirche in Kontakt zu kommen. Bei allen kirchlichen Angeboten hieß es bald „Ich gehe in den Kirchenladen“, sei es zum Einkauf im Laden oder zum sonntäglichen, ökumenischen Gottesdienst einmal im Monat, der dort stattfindet.
Schnell wurde auch deutlich, dass sich christliches Leben nicht auf diejenigen verengen darf, die im gemeindlichen Leben sichtbar sind. Viele Projekte im Stadtteil hatten und haben oft Personen mit christlichen Lebensdeutungen und Handlungsmaßstäben im Hintergrund, die ohne eine institutionelle Rückbindung leben, oder Menschen, die „Kirche“ in einer solchen Form wieder offen begegneten. Diese Personengruppen mit dem Angebot eines Raumes zu unterstützen oder deren Ideen Raum zu geben, hat sich als eine wichtige Aufgabe der „Kirche im Vauban“ entpuppt. Die institutionelle Kirche mit ihrem Angebot an Kirchenräumen stellt so einen Kommunikationsort dar, in dem Menschen sich verwirklichen können, und Kirche kann dadurch wieder in ihrer institutionellen Form als eine wichtige soziale Akteurin erkannt werden.
Von Anfang an spielte die Beteiligung in der sozialen Quartiersarbeit eine gewichtige Rolle. Durch die Beteiligung an diesem Netzwerk, in der Kirche als Akteurin wahrgenommen wird, können zum einen Stadtteilthemen schnell aufgegriffen oder andererseits kirchliche Anliegen auf Augenhöhe eingebracht werden. Bei einem komplizierten Konflikt im Stadtteilleben – eine Wagenburg sollte geräumt werden – fanden wir uns deshalb als Kirche plötzlich in der Rolle der mitmoderierenden Kraft, was viele als sehr positiv rückmeldeten. Dieses Engagement hatte niemand erwartet und bewies, dass Kirche hier ihrem Auftrag als ein Anwalt des sozialen Friedens nachkommen kann. Ein letztes Element der „Kirche im Vauban“ besteht in kreativen Angeboten für alle Generationen. Traditionen sind kaum vorhanden; immer wieder bringen unterschiedliche Menschen ihre Ideen ein, die mal länger, mal kürzer Bestand haben.
Das ökumenische Projekt „Kirche im Vauban“ in Freiburg steht für den Versuch, kirchliches Leben mit kreativen Mitteln in einem stark säkular geprägten Umfeld zu ermöglichen und sichtbar zu machen. „Kreativität“ ist somit ein Grundzustand der „Kirche im Vauban“. Sie befindet sich mit vielen anderen Akteuren/-innen auf dem Markt der religiösen Möglichkeiten. Zugleich versucht sie, diesen Markt mit eigenen Impulsen zu bereichern. Ob das immer gelingt, sei dahingestellt, aber immerhin versuchen es die Menschen vor Ort – und das ist ein wichtiger Anfang.
Michael Hartmann
Kath. Pastoralreferent
Seelsorgeeinheit St. Georgen – Hexental
Tel.: (0761) 400 25 34
E-Mail
Hartmann, Michael, Stadt mit Gott?! Das ökumenische Kirchenprojekt im Freiburger „Vorzeige“-Stadtteil Vauban (Forum Religion & Sozialkultur Abt. B: Profile und Projekte 28), Münster 2014.