Die von Franziskanern betriebene Suppenküche ist ein beredtes Zeugnis des christlichen Glaubens mitten in einer Stadt, in der über 70 Prozent der Bewohner keiner christlichen Konfession angehören. Sie ist ein greifbares Zeugnis des Glaubens mitten in der Diaspora.
Den Franziskanern geht es zuallererst um die Menschen, denen sie mit der Suppenküche helfen. Deshalb ist es ihnen nicht wichtig, dass der Großteil der Anwesenden nicht christlich ist. In einer Stadt, in der mehr als 70 Prozent keiner christlichen Konfession angehört, geben sie Zeugnis, ohne viele Worte zu machen, und das seit 21 Jahren. Es kommen zwar viele Obdachlose in die Suppenküche, um ihre meist einzige warme Mahlzeit am Tag einzunehmen, aber der Großteil ist nicht mehr obdachlos. Das ist kein Zeichen dafür, dass die Armut zurückgegangen ist, sondern eher, dass sich die Armut in den Großstädten gewandelt hat. Es sind diejenigen, die am Rande der Gesellschaft stehen, die Einsamen, psychisch Kranken, Migranten, die Gescheiterten, die sich selbst aufgegeben haben. Sie finden hier Gemeinschaft und Annahme ihrer ganz persönlichen Lebensgeschichte, die kein institutionalisiertes Sozialsystem im Letzten leisten kann.
Rund 300 Männer und Frauen kommen Tag für Tag in die Suppenküche der Franziskaner, die schon seit 21 Jahren nur durch Spenden finanziert wird. Im Jahr 2011 wurden mehr als 82.000 Mahlzeiten ausgegeben, wodurch die Wollankstraße in Berlin-Pankow zu einer Anlaufstelle für Arme und Obdachlose wird, die oft nur diese eine warme Mahlzeit am Tag zu sich nehmen.
Die Menschen, die auf dieses Angebot angewiesen sind tragen zumeist ihre ganz eigene, vom Schicksal geprüfte Lebensgeschichte mit sich herum. Sie sind von den Erfahrungen auf der Straße geprägt, manchmal herausgefordert durch die Versuchungen des allgegenwärtigen Alkohols und der Drogen. Hier in der Suppenküche finden sie in ihrem Alltag eine feste Lebensstütze, die Sicherheit gibt.
Neben der Suppenküche betreiben die Franziskaner auf dem Klostergelände eine Kleiderkammer und eine Hygienestation mit Dusche und Waschmaschinen. Außerdem steht eine Sozialarbeiterin für Ratsuchende zur Verfügung.
Früh um sieben beginnt Fabian Frankes Tag in der Wollankstraße. Zunächst bereitet er die Küche vor. Dann fährt der 19-Jährige die Supermärkte ab, um Essensspenden zu sammeln. Überreifes Obst, abgelaufene Joghurts, zwei Tage altes Brot. Gestern gab es eine ganze Ladung tiefgefrorener Königsberger Klopse von einem Großhändler. Fabian hat im Sommer die Schule abgeschlossen und absolviert nun in der Suppenküche ein freiwilliges soziales Jahr. Jetzt, um halb elf, sitzt er mit Marie Reichert auf einer Bank. Zwischen Fabian und der 21-jährigen Studentin steht ein riesiger Topf, voll mit gekochten Eiern. Mit stoischer Ruhe schälen sie eines nach dem anderen, über 2.000 Stück.
"Mir ging es in meinem Leben bislang sehr gut, und ich habe gerade leicht mein Abitur gemacht", meint Fabian, "jetzt möchte ich was zurückgeben." Er sei nie bedroht gewesen, in solch eine Notsituation wie die Gäste der Suppenküche abzurutschen. "Es verändert mich, täglich die vielen Menschen zu sehen, die einfach zu wenig zu essen haben, und gleichzeitig am Hinterausgang des Supermarktes mitzubekommen, wie viele Sachen einfach weggeschmissen werden", ist Fabian bestürzt. Marie habe in diesem Semester weniger zu tun, meint sie, "und da dachte ich, ich kann hier mithelfen". Nun kommt die junge Katholikin immer donnerstags, schnippelt geduldig kiloweise Gemüse, schält unendlich viel Obst oder pellt eben Tausende Eier. "Anstatt gelangweilt zu Hause rumzusitzen, kann man die Zeit nutzen für Menschen, die sie brauchen", sagt Marie ganz selbstverständlich.
Rosi ist froh über die mehr als 40 ehrenamtlichen Helfer, die regelmäßig mit anpacken. Seit 20 Jahren kocht Rosemarie Skupin für mehr als 300 Menschen am Tag. Die staatlich geprüfte Meisterin in Gemeinschaftsverpflegung mag ihren Beruf in der Suppenküche: "Das Schöne ist, wir müssen kein Geld erwirtschaften." Ihr Motto "Man kann aus allem was machen" beschreibt die notwendige Kreativität, die die festangestellte Köchin braucht, um aus den täglich wechselnden Spenden etwas Ordentliches zu kochen. Ein besonderer Nebeneffekt ihrer Arbeit: Auf den Straßen Berlins ist sie bekannt wie kaum eine andere Frau der Stadt.
"Gott, komm unter uns und segne uns und diese Gaben", betet Bruder Johannes. Um 12.45 Uhr stehen Männer und Frauen dicht an dicht im lichtdurchfluteten Essenssaal der Suppenküche und schauen auf den Franziskaner in seinem Ordensgewand. Es herrscht einen Moment ehrfürchtige Stille, als hielte die Welt einen Augenblick inne. Das Gebet von Bruder Johannes ist Ritual geworden, auch wenn die Mehrheit der Anwesenden keine Christen sind. Dann geht es los. Einer nach dem anderen bekommt aus den riesigen Töpfen einen Schlag Suppe in die Schale, zwei Brote, Obstsalat zum Nachtisch.
Auch wenn die Mehrheit der Anwesenden keine Christen sind: "Wir Franziskaner geben Zeugnis von unserem Glauben ohne viel Worte. Wir wollen keinen bekehren, sondern allein für den Menschen da sein."
In diesem Projekt steht der diakonische Aspekt seelsorglichen Handelns im Vordergrund. Die Suppenküche gibt Zeugnis von gelebtem Christentum in einer Umgebung, in der die christliche Kirche keine große Rolle einnimmt. Es wird deutlich, dass die christliche Botschaft eine heil-same ist, die den ganzen Menschen in den Blick nimmt und in der Zuwendung zur Person ihren Höhepunkt sieht. Den Franziskanern sehen die Menschen, die zu ihnen kommen, nicht als "Missionsobjekte" an, die es zu "bekehren" gilt. Die Stillung der leiblichen Bedürfnisse ist kein Mittel zum Zweck der Bekehrung. Und dennoch ist gerade dieses diakonische Handeln ein glaubwürdigeres Zeichen, als tausend Worte es jemals sein können.
Bernd Backhaus
Franziskanerkloster Berlin-Pankow
Wollankstr. 19
13187 Berlin
Tel.: (030) 488 39 60
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